Reggae in Berlin

GROUNDATION – “HERE I AM” TOUR 2009

GROUNDATION – “HERE I AM” TOUR 2009

+ Berlin Boom Orchestra


19.11.2009 – Kesselhaus Berlin
 


 

 Groundation kommt aus Kalifornien und wurde 1998 von Marcus Urani, Ryan Newman und dem Sänger und Frontmann Harrison Stafford gegründet. Obwohl Groundation vielfach als Roots-Reggae-Band angesehen wird, sehen sie das selbst nicht so. Einige der Bandmitglieder, so auch Harrison Stafford, studierten Jazz an der Sonoma State University, was einen unverwechselbaren Einfluss auf die Musik von Groundation hat. Harrison Stafford entdeckte zwar schon als Kind seine Liebe zum Reggae und unterrichtet später als einziger Professor in den USA das Spezialfach "History of Reggae", bekennt sich zu Rastafari, bleibt aber nach wie vor dem Jazz verbunden. Die Musik von Groundation ist eine einzigartige Symbiose aus Roots-Reggae, Dub und Jazz. Heraus kommt ein gewaltiger Sound, der vielfach von längeren Instrumentalsolis unterbrochen wird. Ein Style den es in dieser Form kein zweites Mal auf dieser Erde gibt. Hinzu kommt Harrisons markante Stimme, die sich mit bereits erfolgten Zusammenarbeiten von Apple Gabriel und Cedric Myton Congo gut verbinden lässt. Groundation eint und spaltet mit ihrer Musik gleichermaßen die Fangemeinde von Reggae und Jazz. Man fühlt sich hin und her gerissen. Wer sich einmal darauf eingelassen hat, kommt so leicht nicht mehr davon los. Mehr Infos zu Groundation gibt es unter http://www.myspace.com/groundation und http://www.groundation.com/home.html.



 

Bild 1+2: Album-Cover “Each One Teach One” (2001)

Bild 3: Album-Cover “Hebron Gate” (2003)

Bild 4: Album-Cover “Free Again” (2004)




Das neue Album “Here I Am” (2009)

Tracklist „Here I Am“

Run The Plan 7:20

Everyone Could Lose 3:31

So Blind 4:35

Time Come 7:30

By All Means 3:48

Blues Away 4:54

Not So Simple 5:56

Here I Am 6:45

You Can Profit 3:55

Beating Heart 4:11

Walk Upright 4:48

Golan To Galilee 3:21


Nachdem wir Groundation schon beim Summerjam diesen Jahres erleben konnten, zog es uns trotzdem noch einmal nach Berlin, um die letzte deutsche Station der „Here I Am“ Tour erleben zu können.

 

Hier ein paar Eindrücke des Abends.

Eigentlich hatten wir ein nicht so zahlreiches Publikum erwartet, da zeitgleich auf der Hoppetosse „7 Jahre Herbclub“ gefeiert werden sollte. Mit dabei dort unter Anderen Benjie, Vido Jelashe und Ganjaman. Da dürfte sich die Reggaemassive etwas verteilen. Aber es kommt anders. Wie zuvor erwähnt, ist bei Groundation nicht die gewohnte Reggaemassive vertreten. Die Spaltung der Reggaefans wird durch andere Besucher mehr als ausgeglichen. Das Kesselhaus ist also gut gefüllt, als im Vorprogramm das Berlin Boom Orchestra kurz nach 21:00 Uhr eröffnet. Sogar die Galerie ist heute wieder einmal zugänglich.

Das Berlin Boom Orchestra (www.myspace.com/berlinboomorchestra) ist, wie der Name schon sagt, in Berlin zuhause. Die Band wurde 2006 gegründet und besteht aus 9 Mitgliedern. Ska, Reggae und Dancehall haben sie sich auf die Fahne geschrieben. Im Jahr 2008 kam ihr erstes Studioalbum „Kaboom“ bei MKZWO heraus. Mit "Live in Kreuzberg" wurde im Mai 2009 die nächste Scheibe veröffentlicht. Diese Live-Aufnahmen wurden vom allseits bekannten Multitalent Ganjaman abgemischt und mit einer Release Party, im Club Maria am Ostbahnhof, der Öffentlichkeit präsentiert.

Ein besonderer Meilenstein in der noch jungen Bandgeschichte ist die Teilnahme am „European Reggae Contest 2009“, den sie in Deutschland für sich entscheiden konnten. Wie das zu werten ist, sei dahingestellt. Wie schon früher beim „1. German Reggae Grammy“ im Jahr 2005, gab es dazu unterschiedliche Presse. Denn die teilnehmenden Artists oder Bands, konnten bei Weitem nicht das hiesige Reggae-Potential präsentierten (http://www.reggaecontest.eu/bands.php?n=D). Viele gute Leute waren nicht dabei. Als ich mir im Zuge des Votings auch die Musik vom Berlin Boom Orchestra anhörte, hätte ich noch nicht mit dem später eintreffenden Ergebnis gerechnet. So sind meine Erwartungen an das Vorprogramm eher verhalten.




 

Allerdings bin ich dann sehr überrascht vom Sound der Band, die bedeutend besser klingt, als das was ich bisher von ihnen auf deren Website gehört habe. Das Berlin Boom Orchestra ist eine echte Bereicherung für die deutsche Reggaelandschaft. „Habt ihr Bock auf Groundation?!“, ruft Sänger Bruno in die Massen, kurz vor Ende des knapp einstündigen Programms und es kommt zurück: „Jaaaaaa - und auf euch auch!“ Dem kann man sich anschließen und gibt die überwiegende Meinung der Massive wieder. Eine Zugabe wird noch gespielt und dann geht es in die Pause.




 

Jetzt ist die Technik gefragt. Der doppelte Bühnenaufbau muss zurückgebaut werden und die Instrumente von Groundation werden zurechtgerückt und eingestimmt. Gegen 22:30 Uhr ist dann alles so wie es sein soll und die Techniker verlassen die Bühne.



 

Harrison Stafford, Marcus Urani und all die anderen Bandmitglieder kommen kurz darauf unter großem Jubel auf die Bühne. Analog wie das Berlin Boom Orchestra ist man heute mit 9 Leuten am Start. Backgroundsängerin Kim Pommel und …… „Wer ist denn das?“, frage ich mich. Stephanie Wallace ist kaum wieder zu erkennen, wenn man nicht die Gesichtszüge und deren Bewegungen gespeichert hat. Beim diesjährigen Summerjam noch mit schönen langen Haaren, tritt sie heute mit afrikanischer Kurzhaarfrisur auf.




 

Nachfolgend: Stephanie im Vergleich zum Summerjam 2009



 

Weitere Überraschungen gibt es nicht. Alle anderen Bandmitglieder sind noch die Selben und nehmen in der gewohnten Aufstellung die Bühne ein. Harrison anfangs noch in dicker grüner Jacke und hochgeschlossenem Kragen ist bald aufgewärmt und legt diese ab. Die Massive ist von Anfang an in hervorragender Stimmung und feiert eine Band, die in der Kreativität jedes einzelnen Mitgliedes keine Grenzen kennt. Groundation spielt sich quer durch ihr Repertoire und stellt natürlich eine Reihe von Titeln des neuen Albums mit vor. Immerhin heißt die Tour „Here I Am“.






 

Zwischendurch immer wieder ausgeprägte Instrumentalsolis, die von der Massive ausgiebig gefeiert werden, besonders das vom Mann an den Percussions. Obwohl das Programm äußerst vielseitig ist und für mächtige Stimmung sorgt, vermisse ich ein paar Highlights vom Kaliber eines „Freedom Taking Over“, „Undivided“ oder „Picture On The Wall“. Kim und Stephanie berauschen mit ihrem Tanz, perfekt abgestimmt mit Mimik und Gestik auf jeden Ton der Musik, können wegen den fehlenden Knallern aber nicht alles zeigen. Zwischendurch reißt auch noch bei Harrison eine Gitarrensaite, was aber der musikalischen Klangfülle keinen Abbruch tut. Dann denke ich mich tritt ein Pferd, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine mir schon länger auffallende Fotografin, die nicht den geringsten Draht zur Musik zu haben scheint, benimmt sich schlimmer als ein Paparazzi der Sensationspresse. In der ersten Hälfte der Show verschießt sie gefühlte mehrere Tausend Bilder und verschafft sich mit Ellenbogen und Fußtritten den gewünschten Freiraum an der Bühnenkante.



 

Bild rechts: Die aggressive „Paparazzi“

 

Jetzt hat sie es ausgerechnet auch noch auf meinen Standpunkt abgesehen und schiebt mit Nachdruck ihren Fuß von der Seite her zwischen meine Beine, um mich so von der Bühnenkante weghebeln zu können. Als das keinen Erfolg hat und meinen Widerspruch provoziert, kommt dann auch noch ihr Ellenbogen schmerzhaft zum Einsatz. „Such dir einen anderen Platz, ich muss hier arbeiten!“, pöbelt sie mich an und fuchtelt mir ununterbrochen mit ihrer Kamera vor dem Gesicht herum. Unfassbar, so etwas ist mir noch nie untergekommen und schon gar nicht unter Reggae-Fotografen, die sich immer kollegial zueinander verhalten. Peinlich, peinlich.

Zum Glück ist sie dann irgendwann verschwunden und der Frieden kehrt wieder zurück.



 

Die zweite Hälfte der Show kann ich so ungestört genießen, bis dann kurz nach Mitternacht mit Bob Marleys „Exodus“ der letzte Titel angestimmt wird. Der Titel wird zur Bandvorstellung mit extralangen Instrumentalsolis genutzt. Kim und Stephanie sind natürlich mit einer Solo-Gesangseinlage dabei. „This is Groundation!“, Harrison bedankt sich vielfach bei der Massive und Groundation verlässt winkend die Bühne. Das geht natürlich auf keinen Fall. Das Kesselhaus tobt und jubelt so lange, bis die Band wieder auf der Bühne steht.



 

Es gibt noch einen Titel als Zugabe und dann ist wirklich Schluss. Und wieder kein „Freedom Taking Over“!? Das kann doch nicht wahr sein.

Nach anfänglichen weiteren Zugaberufen wird es langsam ruhiger, die Massive bröckelt langsam auseinander und die ersten Leute verlassen den Saal. Dann kommt aber noch einmal die Wende. Ein einzelner Fan schwingt sich auf die Bühnenkante, gibt dem Publikum zugewandt Ton und Takt an und der Beifall kehrt wieder zurück. Es nimmt einfach kein Ende. Und dann ist es tatsächlich geschafft – Groundation kehrt noch einmal zurück. Die Band strahlt und Stephanie wischt sich die Tränen aus den Augen. Harrison stimmt an: „Beautiful Berlin ….“, die Massive erkennt den abgewandelten Knaller „One More Day“ und bricht in unbeschreiblichen Jubel aus. Einfach toll – wenigstens noch einer meiner ganz großen Lieblingstitel.



 

Bild links: Ihm ist die letzte Zugabe zu verdanken!

 

Nach zwei Stunden, mit Berlin Boom Orchestra sogar drei, geht wieder eine super Veranstaltung zu Ende. Die Bühnenbeleuchtung ließ jedoch über weite Strecken, mit wenigen Ausnahmen, etwas zu wünschen übrig. Sie ließ die Akteure überwiegend ganz einfach im Dunkeln stehen. Trotz modernster Bühnentechnik, die erst in diesem Jahr mit einer schönen Feier eingeweiht wurden ist, ist das ein wenig unverständlich.

 

Im Anschluss besuchen wir noch einmal die Band. Harrison ist schon angekleidet und möchte ins Hotel zurück. Die nächste Tourstation ist TBA Chambéry in Frankreich, und das schon morgen. Eine weite Strecke. Da tut vorab ein wenig Erholung noch gut. Harrison erkennt uns sofort von unserem letzten Treffen und umarmt uns herzlich. Während wir noch miteinander reden, winkt uns auch noch Marcus vom anderen Ende des Tisches zu. Jetzt nimmt sich Harrison doch noch ein wenig Zeit und sieht sich mit uns gemeinsam ein paar Bilder vom Summerjam an.




 

Harrison Stafford, Marcus Urani und Peter beim Summerjam 2009


Die anderen Bandmitglieder sitzen gemütlich in angeregter Diskussion am Tisch und sehen aus, als könnten sie gleich weiter machen. Harrison allerdings hat sich wie immer am meisten verausgabt und hat zum Ende der Show sicher wieder einiges an Gewicht verloren. „Ich werde mich bei dir demnächst melden.“, verspricht Harrison, winkt noch einmal und verlässt das Kesselhaus. Wir haben noch ein wenig Zeit und können ein paar Backstage-Fotos machen, bevor wir uns auch verabschieden und auf die mehrstündige Heimreise begeben.




 

Bild 1: Stephanie Wallace

Bild 2: Kim Pommel

Bild 3: Stephanie und Peter

Bild 4: Stephanies Dank

 

Ein nächstes Mal gibt es ganz bestimmt! „We see us in the future!“, wie Harrison immer so schön sagt.

Ich denke ein wenig beschämt an die Zeit zurück, als ich vor vielen Jahren das Potential von Groundation noch nicht erkannte und die Gelegenheit eines Konzertgenusses nicht wahrnahm. Damals wäre mir nicht im Traum eingefallen, einmal zu den Fans von Groundation zu gehören.

 

Copyright:

Text und Fotos by Reggaestory


Mein besonderer Dank geht an das Berliner Kesselhaus, Oliver und Henning von der F-Cat Productions GmbH (http://www.f-cat.de) und natürlich an Groundation selbst.

 

Zum Veranstaltungskalender der Kulturbrauerei (Maschinenhaus, Kesselhaus usw.) gelangt Ihr über den Link: www.kesselhaus-berlin.de bzw. www.kulturbrauerei-berlin.de.

 

Wer eines der genannten Alben benötigt, sollte sich auf die Suche bei www.irie-records.de begeben bzw. dort anfragen.