Steel Pulse & Jahcoustix in Berlin
Tourmanager Christoph von Revelation Concerts ist mit dem bisherigen Verlauf der Tour zufrieden. In Darmstadt und Hamburg war riesiger Andrang an den Kassen und die Stimmung bei den Konzerten soll perfekt gewesen sein. Nun ist es an Berlin, sich ebenfalls bei Steel Pulse und Jahcoustix in gute Erinnerung zu bringen. Mit Jahcoustix als Opener dürfte aber kaum was schief gehen. Er allein ist schon den Besuch jeder Show wert und kann mit seinem fantastischen rootsigen Sound die Massive in die richtige Stimmung bringen. Im Kesselhaus der Kulturbrauerei soll die Reggaefete steigen.
Im Innenhof der Kulturbrauerei lockt wie jedes Jahr ein fantastischer Weihnachtsmarkt. In dieser Kombination mit Jahcoustix und dem Weihnachtsmarkt fühle ich mich erinnert an Joseph Hills letztes Konzert im Kesselhaus am 02.12.2005. Auch damals war es Jahcoustix sein Part auf ein Abend mit großen Reggaelegenden einzustimmen.
Mit Steel Pulse kommt eine Band nach Berlin, die schon vor drei Jahren ihr 30-jähriges Bandjubiläum feiern konnte. Mit David „Dread“ Hinds (*15.06.56) und Selwyn „Bumbo“ Brown (*04.06.58) sind noch zwei Gründungsmitglieder dabei, von denen besonders David Dread mit seinen gewaltigen Dreads das Antlitz der Band prägt. 1978 kam ihr Debütalbum „Handsworth Revolution“ heraus, das wohl den bis heute eingängigsten und bekanntesten gleichnamigen Titel enthält. Eine Erfolgsstory begann und wurde im Folgejahr mit dem zweiten Album „Tribute To The Martyrs“ fortgesetzt. Steel Pulse entwickelte sich zu einer der erfolgreichsten Reggaebands in England. Inzwischen gibt es über 20 Alben und Compilations auf dem Markt. Wer mehr Informationen zu Steel Pulse benötigt, sollte sich auf dessen Website www.steelpulse.com umsehen. Der Fan findet dort eine sehr gut aufgebaute und aktuell gepflegte Website vor, die nahezu keine Fragen offen lässt. Lediglich bei den Bildern sieht es ein wenig dürftig aus. Aber dafür wird es nun an dieser Stelle ein wenig Ersatzmaterial geben.
Im Kesselhaus ist ein kleiner Fanartikel-Stand aufgebaut, dem aber die aktuellen Sachen zu Steel Pulse schon ausgegangen sind. Mit solch einer erfolgreichen Tour und entsprechender Nachfrage zu den Alben hatte man offenbar nicht gerechnet. Aber halb so schlimm. Der Kenner hat sowieso vorgesorgt und die Alben schon längst im Schrank stehen. Für neue Fans ist auf anderem Wege nahezu noch alles beschaffbar. Auch hier bietet die Website von Steel Pulse die passende Hilfestellung.
Gegen 21:30 Uhr ist es dann soweit und Jahcoustix betritt mit seinen „Dubiosen Nachbarn“ die Bühne. Von ihm ist inzwischen auch schon das dritte Album, welches den Titel „Grounded“ trägt, europaweit auf dem Markt. Jahcoustix mit dem gewohnten Lächeln im Gesicht, welches ihm wohl nie vergeht, verbreitet positive Vibrations ohne Ende. Die Massive bekommt das auf die Ohren, worauf sie sicher gehofft hat – kräftigen Roots Sound wie er im Buche steht. Am vorderen Bühnenrand ist es anfangs mächtig laut und die Schmerzgrenze ist fast erreicht. Auch durch den doppelten Bühnenaufbau, gibt´s durch besondere Schlagzeugnähe zusätzlich kräftig auf die Ohren. Zum Glück geht der Pegel dann noch ein wenig zurück und man kann sich voll dem Seh- und Hörgenuss hingeben.
Jahcoustix spielt eine knappe Stunde und präsentiert Stücke wie „Musical Soldier / Hot Stone“,
„Scepticism“, „Steppin Forward“, „Afreeca“, „Goodman“, „Not Stupid“ und Andere.
Während der Show begrüßt Jahcoustix seinen langjährigen Freund Ganjaman auf der Bühne, der natürlich auch gleich zum Mikro greift und einen kleinen Beitrag zum Programm bringt. Am Schluss der Show wird Jahcoustix mit “Salam Aleikum” sogar noch ein wenig orientalisch. Die Sprachkenntnisse dazu dürfte Jahcoustix in seinen afrikanischen Jahren erworben haben, wofür ihn sicher so mancher beneiden wird. Jahcoustix hat sich total verausgabt und ist völlig durchnässt. Der Saal jubelt und möchte ihn am liebsten nicht gehen lassen, aber es steht ja noch die Legende Steel Pulse auf dem Programm und die Bühnenausstattung muss noch etwas umgebaut werden. Im Eiltempo räumt die „Nachbarschaft“ ihre Ausrüstung von der Bühne und macht Platz für die letzten Verkabelungsarbeiten des nächsten Bühnenaufbaus, der schon in der zweiten Reihe im Sichtfeld steht. Obwohl die Sache schnell erledigt ist, geht die Show nicht gleich weiter. Als gegen 23:00 Uhr immer noch nichts passiert, kommt ein wenig Unruhe in die Massive und die ersten Pfiffe werden laut. Aber nicht lange danach kommen David, Selwyn und die Anderen, in einem Zug auf die Bühne und die Warterei ist vergessen. Besonderer Blickfang ist David „Dread“ mit seiner gewaltigen Haarpracht, die sicher mit zu den interessantesten in der Reggaewelt gehört und offenherzig von ihm den Fans präsentiert wird. Dreads von nahezu biblischer Länge, bei den man kaum weiß wo Anfang und Ende zu suchen ist, da teilweise mehrfach eingerollt und mit rot-gelb-grünen Bändern zusammengebunden. Dazu ein rot-gelb-grünes ärmelloses Shirt mit dem Namenszug von Steel Pulse und eine Hose im Military-Look. Die Hosenträger mit vielen Jamaica-Flaggen besetzt, lässt er hinten herunterhängen. Ein Armband mit dicken Türkisen und eine finstere Sonnenbrille runden die beeindruckende Erscheinung ab.
Steel Pulse beginnt mit ihrem Hit „Rally Round“, lässt „Rollerskates“ folgen und die Massive schwebt in Glückseligkeit. Es folgen „No More Weapons“, „Chant A Psalm“, „Body Guard“ und viele Andere. Der Sound ist unbeschreiblich und klingt gefühlsmäßig gewaltiger als auf den Studioalben. Die Begeisterung im Saal ist nahezu unbeschreiblich und einige Fans beginnen auszuticken und entern die Bühne. Erstaunlich wie David mit der Sache umgeht und die Show nicht unterbricht. Er findet die richtigen Gesten und sogar Umarmungen, damit die Sache nicht aus dem Ruder läuft. Leider wiederholt sich die Sache mehrfach von immer ein und den selben stark alkoholisierten und zugedröhnten Leuten, und der Techniker der Band muss notgedrungen die Pflichten des Sicherheitsdienstes wahrnehmen, der leider nicht in Sicht ist. Erst als der Sicherheitsdienst auch noch mit eingreift und die Unruhestifter ihren persönlichen Bewacher vor der Bühne bekommen, ist die Sache abgeklärt. Das Ende der Show bekommen die Bühnenpiraten jedoch nicht mehr mit, zumindest sind sie irgendwann ganz verschwunden und offenbar nun restlos entschärft. Gut für alle Anderen, die nun ohne unkontrollierte Rempeleien sich dem uneingeschränkten Genuß von Steel Pulse hingeben können.
Nach „In A Me Life“, dem Superhit „Handsworth Revolution“, der sich auf ein Stadtteil von Birmingham bezieht wo Steel Pulse gegründet wurde, sowie dem Stück „Stepping Out“, geht’s erst einmal in eine kurze Pause. Die Massive glaubt zumindest keineswegs an ein Ende des Konzerts und lässt mit seinen Ovationen für Steel Pulse so lange nicht nach, bis die Band wieder auf der Bühne erscheint. Noch einmal geht es ca. ein halbes Stündchen weiter mit Titeln wie „Global Warning“, „African Holocaust“ und Anderen. Eigens für Barack Obama wurde mit „Vote Barack Barack“ noch ein neuer Titel präsentiert. Vielleicht führt das ja dazu, dass Steel Pulse noch einmal bei der Einführungsfeier eines US-Präsidenten, wie es bereits im Jahr 1993 bei Bill Clinton geschehen ist, spielen wird. Warten wir aber ab, wie sich die Hoffnungen in Barack Obama erfüllen werden. Die afrikanische Abstammung allein wird dazu nicht ausreichen, um die Wünsche der afrikanischen Bevölkerungsteile in Amerika und anderswo, umgesetzt zu sehen. Afrika selbst ist dazu das beste Beispiel, wo Diktaturen, politische und ethnische Machtkämpfe und Korruptionen die Leiden der Afrikaner vielerorts noch vergrößert haben. „Babylon Makes The Rules“ und „Blazing Fire“ bilden dann den Abschluss eines erfolgreichen Reggaeabends.
Eine große Show geht zu Ende, und die Erwartungen an Steel Pulse dürften sich mehr als erfüllt haben. Auch Steel Pulse ist sichtlich zufrieden, bedankt sich bei Jahcoustix der ein super Vorprogramm geleistet hat, sowie bei der örtlichen Massive durch lang anhaltendes herzliches Händeschütteln am Bühnenrand, an dem sich natürlich die ganze Band beteiligt. Es ist inzwischen kurz nach 1:00 Uhr geworden und Steel Pulse hat somit knapp zwei Stunden gespielt. Wer als neuer Fan die Titel der Show in seiner Sammlung haben möchte, sei auf zwei CD-s hingewiesen. Das wäre einmal die „Rastanthology“ und die „African Holocaust“. Darauf finden sich über 60% Prozent der zur Show gespielten Titel wieder. Mit „African Holocaust“ hat man zugleich das letzte herausgekommene Album der Band. Inzwischen gibt es auch schon eine „Rastanthology II“, die aber nicht so viele Titel der Show beinhaltet und sich teilweise mit der „African Holocaust“ überschneidet.
Der nachfolgende Backstagetermin bei Steel Pulse geht in meine Erinnerung als einer der entspanntesten und zuvorkommendsten ein. David kommt selbst nach draußen und schaut was so vor seiner Tür abgeht, hört sich die Anliegen der Wartenden an und trifft seine eigene Auswahl für die Gäste von Steel Pulse. David nun ohne Sonnenbrille und mit Mütze, ist kaum wieder zu erkennen. Er ist gut gelaunt und strahlt geradezu jugendliche Frische aus. Sein wirkliches Alter will man ihm kaum abnehmen. Keine Spur auch mehr vom vorangegangenen Konzert.
David befasst sich lange und geduldig mit seinen Gästen. Selwyn gibt inzwischen ein Interview für Reggaeinberlin. Die Bandmitglieder sorgen sich sogar um das leibliche Wohl der Gäste und teilen ihre Getränke. Benni von Citylock versucht an die Vorgespräche zur Organisation einer Dubplate Session anzuknüpfen, aber David hat sich noch nicht ganz entschieden. Ein weiteres Problem sind die erforderlichen Riddims, die man bisher nicht beschaffen konnte. Selwyn hat aber glücklicher Weise seinen Laptop dabei und kann diverse Riddims und Variationen dazu vorspielen. Schließlich wird man sich doch noch einig und begibt sich im Anschluss ins Aufnahmestudio. Viel Zeit ist allerdings nicht mehr, da es inzwischen schon wieder weit nach 2:00 Uhr geworden ist. Hoffen wir auf gutes Gelingen.
Zum spät morgendlichen Frühstück legen wir dann frisch infiziert und süchtig auf Nachschlag unsere Steel Pulse Scheiben in den Player und müssen feststellen, dass uns doch irgend etwas fehlt. Sind das wirklich alle Töne, fehlen da nicht vielleicht gar ein paar Bässe? Naja - live ist eben live, zumindest wieder einmal bei Steel Pulse.
copyright Text: Peter Joachim
copyright Fotos: Peter Joachim
Mein besonderer Dank geht an das Management der Kulturbrauerei Berlin, Christoph von Revelation Concerts, Benni von Citylock und natürlich an Steel Pulse selbst, die mit zum Gelingen dieser Story beigetragen haben.
Interessenten für die erwähnten Alben und weitere, können sich unter Anderem bei www.steelpulse.com oder www.irierecords.de umsehen.
Zum Veranstaltungskalender der Kulturbrauerei (Maschinenhaus, Kesselhaus usw.) gelangt Ihr über den Link: www.kesselhaus-berlin.de bzw. www.kulturbrauerei-berlin.de.
Infos zu künftigen Touren und Einzelauftritten unter der Regie von Revelation Concerts findet
Ihr unter www.revelation-concerts.de.
Interessenten für Dubplates sollten sich bei www.myspace.com/citylockdisco oder www.citylock.net umsehen oder sich bei dubplates@citylock.net melden.
Kontaktaufnahme zum Autor, Kritiken u.A. unter: ib-joachim@freenet.de.