Boundzound Interview 2011
Eine frühere Version deines Albums sollte eigentlich schon im letzten Jahr erscheinen. Wieso hat sich die Veröffentlichung verzögert?
Die Veröffentlichung wurde damals verschoben, weil noch einige Songs in Arbeit waren, die ich noch auf das Album packen wollte. Das Album damals hieß „Roothouse“, jetzt heißt es „Ear“. Das hat damit zu tun, dass die Arbeit mit SEEED jetzt auch weitergeht. Mein Name bei SEEED ist „Ear“ und in gewisser Weise habe ich dieses Album der Band gewidmet. „Roothouse“ hingegen steht für den Sound des Albums, man könnte sagen, es ist der Name des musikalischen Stils. Ich bin für bzw. während der Aufnahmen viel gereist. Ich war in L.A., in Westafrika und in Südfrankreich. Überall dort habe ich mit verschiedenen Leuten zusammen gearbeitet, Musik gemacht und viele neue Inspirationen bekommen.
Dein erstes Album hat ziemlich viel Aufsehen erregt. Wie war es für dich auf einmal als Einzelkünstler im Mittelpunkt zu stehen?
Das Skurrile beim ersten Album war, dass den Song „Louder“ nach der Veröffentlichung zwar bald jeder kannte, doch keiner wusste woher und von wem er kommt. Bis zum Ende des Jahres wussten die wenigsten dass „Louder“ was mit SEEED zu tun hat, geschweige denn, dass der Song überhaupt aus Deutschland kommt. Erst nachdem wir zahlreiche Konzerte gespielt hatten, wurde es den Leuten langsam bewusst. Damit hatte niemand gerechnet. Die Band und alle anderen noch weniger als ich selbst. Ich war mir schon bewusst, dass man mein Gesicht bzw. mich als Künstler nicht kennt, nur weil ich fünf/sechs Jahre bei SEEED gespielt habe.
War das für dich etwas Gutes?
Aus musikalischer Sicht kann ich sagen, dass man einen besseren Effekt gar nicht haben kann. Der Song war so gut, dass er sich von ganz allein durchgesetzt hat. Ohne meinen Namen, ohne SEEED, ohne dass es wichtig war, woher er kommt. Für mich als Musiker war dies das größte Geschenk, dass ich mir erhoffen konnte.
Wie bist du zum Musik machen gekommen?
Als ich 15 war, habe ich in einer Jugend-WG gewohnt. Wir haben mit Freunden gechillt und Bob Marley gehört. Dadurch habe ich einen Zugang zur Musik bekommen, den ich vorher nicht hatte. Ich habe mir dann die Gitarre von meinem Vater geholt und angefangen Songs zu schreiben und Musik zu machen. Dabei bin ich bis heute geblieben. Es hat so viel Spaß gemacht Musik zu hören und ich hatte sofort so viele Ideen, die ich umsetzen wollte, dass es für mich klar war, Musiker zu werden.
Du bist in Berlin aufgewachsen. Welche Bedeutung hat die Stadt für dich?
Die Stadt ist groß und nicht zu hoch gebaut. Im Vergleich zu New York ist das sehr angenehm. Berlin ist im Laufe der Geschichte aus vielen Dörfern zusammen gewachsen. Es gibt kein Stadtkonzept wie in London oder New York. Berlin würfelt sich zusammen aus Orten, die alle irgendwie anders ticken. In den letzten Jahrzehnten war es ein Ort für viele kreative und friedliebende Menschen, weil man in Westberlin damals ja nicht zur Armee musste. Dafür liebe ich die Stadt. Es ändert sich natürlich auch immer sehr viel in den einzelnen Bezirken. Prenzlauer Berg ist dafür wahrscheinlich das beste Beispiel. Der Wandel ist angenehm, auch wenn man sich darüber streiten kann, ob die einzelnen Entwicklungen jetzt gut oder schlecht sind. Aber der Fakt, dass Veränderungen stattfinden ist gut. Auch wenn man das Gefühl hat, dass gerade viele Freiräume verloren gehen und sich die Stadt in Richtung vieler anderer Metropolen entwickelt. Ich denke jedoch nicht, dass Berlin so werden wird, wie London, Paris oder New York. Die Stadt hat einfach eine andere Geschichte und eine andere Zusammensetzung.
Wie stehst du zur regulierten Freigabe von Marihuana unter strengsten Jugendschutzauflagen?
Das ist ein schwieriges Thema. Zu allererst denke ich das Kulturen verschieden sind. In Bayern trinkt man die ganze Zeit Bier, in Frankreich Wein, in Kolumbien ist Kokain angesagt, in der Wüste Ägyptens Opium. Die Leute haben unterschiedliche Gewohnheiten und leben damit. Was verboten oder legal ist, hat oft nichts damit zu tun. Es sind andere Parameter, die wohl eher mit marktwirtschaftlichen Aspekten zu tun haben. Ich bin ein Freund von Mündigkeit. Ich arbeite ja mit meinem Mund. (lacht)
Heißt das, dass du dich für eine Legalisierung aussprichst?
Ich glaube es wäre schon vorteilhaft, wenn Drogen im Allgemeinen nicht so ein Tabu wären und man sich mit ihnen näher auseinander setzt. Ich glaube, worunter viele Menschen leiden ist, dass sie sofort als Kriminelle abgestempelt werden. Du darfst Alkohol trinken bis du stirbst. Jeden Tag kannst du dir deine Literflasche Scotch reinziehen. Danach bist du am Ende und es kann dir keiner helfen. An sich glaube ich, dass man besser mit Drogen umgehen kann, wenn man genau weiß, was es alles gibt, woher es kommt und welche Wirkung es hat. Über die meisten Sachen weiß man einfach sehr wenig. Ganz abgesehen davon bin ich kein Freund von Verboten. Ich glaube aber, dass es gut ist sich als Mensch unabhängig zu machen. Wenn man unabhängig von allen Drogen ist, ist man auf alle Fälle besser dran, als wenn man von ihnen abhängig ist.
Du verfolgst neben der Musik auch noch andere künstlerische Projekte, erzähl mit etwas darüber.
Bis ich fünfzehn war, habe ich unheimlich viel gemalt und auch wenn die Musik danach in meinem Leben in den Vordergrund gerückt ist, habe ich nie damit aufgehört. So stammt zum Beispiel auch das Albumcover von mir. Ich habe auch ein Kinderbuch entworfen. Als ich in Afrika war, hat mich die Tochter eines Freundes dazu inspiriert. Das Buch beschreibt den Bau von tanzenden Häusern und ist letztendlich eine Metapher auf mein Album bzw. auf meine Musik. Die Bilder finden sich auf der Platte wieder und die Musik wird sich dann hoffentlich auch im Buch wiederfinden. Das Buch ist fertig und soll auch veröffentlicht werden, doch daran arbeiten wir noch.
Ich hab gehört, es gibt auch gerade eine Ausstellung von dir in Berlin.
Ja. Die Bilder hängen im Foyer des Blue Man Group Theaters. Mein Kinderbuch ist blau-weiß und erzählt über Musik. Die Typen sind Musiker, blau angemalt und machen kindische Aktionen in ihrem Theater. Das Ganze findet in dem alten 3D Kino statt, das auch noch blau ist. Das hat einfach gepasst und es war klar, dass meine Bilder genau da hängen sollen. Fünf von den Bildern, die dann auch im Buch erscheinen werden, sind dort zu sehnen. Vorher gab es dort noch keine Ausstellung und jetzt hängen meine Bilder dort schon ein halbes Jahr. Darauf bin ich stolz. Es sind auch noch weitere Projekte daraus entstanden. So hat der musikalische Leiter des Theaters zum Beispiel mit seiner Band meine Bilder 'vertont'.
Ein neues SEEED Album ist bereits in Arbeit. Wie wirst du dein Soloprojekt und die Arbeit mit der Band unter einen Hut bringen?
Im Moment bin ich in einer ähnlichen Situation wie 2007 als meine erste Platte rauskam und wir kurz vor der Pause waren. Es gab parallel Boundzound und SEEED Konzerte an verschiedenen Orten. Das geht schon alles, es ist nur eine Frage der Planung. Die klare Trennung des Soloprojekts und der Band wirkt auch nur nach außen so, um auf dem Markt den Leuten zwei klare Produkte anbieten zu können. Hinter den Kulissen ist es einfach ein riesiges Gewirr von Leuten, die sich alle seit Jahren kennen und zusammen Musik machen. Soloprojekte sind ja auch keine Solo-Projekte im eigentlichen Sinne. Man arbeitet immer mit anderen Menschen zusammen. Boundzound ist wie mein Familienname, der auch vorher schon auf SEEED Platten aufgetaucht ist. Ich werde also auch weiter unter diesem Namen unterwegs sein.
Wie ist es für dich nach der Bandpause wieder mit SEEED zusammen zu arbeiten?
Wir wollten zwei Jahre Pause machen, doch es sind vier geworden. In der Zeit ist für jeden Einzelnen viel passiert. Jeder hat seine Soloprojekte gemacht und auch die Band hat zwischendurch viel Musik gemacht. Nach vier Jahren wieder zusammen unterwegs zu sein, war schon erstmal ein Flash. Es war auf jeden Fall ein tolles Gefühl. Wir haben vier Konzerte gegeben und auf der einen Seite war alles wie früher, man steigt in den Tourbus, probt wie früher und spielt Shows, doch auf der anderen Seite ist doch alles etwas anders, denn wir haben uns alle verändert.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.
Janika