Reggae in Berlin

David Rodigan

Was John Peel für den Punkrock war, ist David Rodigan für den Reggae. Wie kaum ein anderer ist der Sohn irischer und schottischer Eltern mit der Geschichte jamaikanischer Musik verbunden, und wie kein anderer weiß er diese über die Turntables zu erzählen. 1977, gleich auf seiner ersten Reise nach Jamaika, wo der weiße Selector damals ein absoluter Exot war, lernte Rodigan King Tubby kennen.1978 begann seine Radio-Laufbahn bei Radio London. Rodigans Shows sind Kult für Generationen von Hörern, und Bob Marley war nur einer seiner zahllosen großen Interview-Gäste. Elf Jahre lang sendete er “Roots Rockers“ bei Capital Radio, dazu kam 1984 (bis heute) “Rodigans Rockers“ auf dem britischen Sender BFBS, seit 1990 mehrere Shows auf Londons Total Kiss FM, eine Sendung auf Irie Jam in New York und unzählige Gastauftritte... Für seine aktuelle Compilation auf BBE Records griff der Plattensammler tief in Raritätenkiste und förderte Tunes von den Abyssinians, Dennis Brown, Barrington Levy oder Ernest Wilson zutage. Wir hatten das Glück und die Ehre David Rodigan vor seiner Show zu treffen und interviewen zu können.

30 Jahre sind eine lange Zeit. Kannst du kurz die wichtigsten Veränderung beschreiben, welche, in dieser Zeit in der Reggaeszene stattfanden.

Die größte Veränderung ist, meiner Meinung nach die digitale Evolution des Danchalls,die 1985/86 mit dem Sleng Teng Riddim begann. Riddims wurden nun mit Synthesizer und Computer erstellt, was vorher nie der Fall war. Einige dieser Produktionen klingen heute immer noch wirklich gut, wie der Punnany Riddim zum Beispiel.
Eine weitere Veränderung war das Aufkommen von Roots chanting Djs in den 90ern. Tony Rebell war der erste, der Djing und Singing verband. Dann kamen Sizzla, Capleton, Chuck Fender, Lutan Fyah... Sie alle veränderten die Musik, was meiner Meinung nach eine wunderbare Sache war.

Wie veränderte sich dabei deine Arbeit als Selector?

Was sich für mich geändert hat? Nun ich stelle mir die Frage, wo ist der neue Bob Andy? Wo ist der neue Dennis Brown, Gregory Isaacs, Burning Spear? Und damit meine ich keine Kopien dieser Künstler, sondern Leute die genau so originell und einzigartig sind. Es scheint mir so, als habe die Reggaeszene lange niemanden dieser Art hervorgebracht und ich frage mich warum.
Ein anderer Punkt ist, dass es zu einfach geworden ist einen Riddim zu produzieren. Jeder der ein bisschen was von Computern versteht kann heutzutage einen Riddim basteln. Zu der Zeit, als Reggae und Rocksteady aufkamen, musste man, um einen Riddim aufzunehmen fähige Musiker finden, die dann zusammen spielten und ausprobierten. Das machte das ganze einzigartig.

Du hast wahrscheinlich eine der größten Reggaeplattensammlungen überhaupt. Warum hast du trotzdem angefangen mit CDs aufzulegen?

Ich mag es nicht besonders, aber ich musste mich umstellen. 2005 war ich in London am Flughafen, der wegen der versuchten Bombenanschläge geschlossen war. Sie haben meinen Plattenkoffer eingezogen und behalten, sodass ich, als ich dann in Italien ankam keine Platten mit hatte. Ich habe dies als eine Art Zeichen gesehen, mich umzustellen. Jetzt habe ich mehr Musik dabei, aber ich muss sagen, dass ich meine Platten und meine Dubplates vermisse. Es ist einfach nicht das selbe...

Ich war auch auf deiner 30. Jumiläumsparty in London. Das war ja vom Publikum her völlig was anderes. Hast du eine Art lieblings Massive?

Das Publikum bestand zum größten Teil aus jamaikanischen Einwanderern und deren Kindern. Das Durchschnittsalter lag dort bei 30-40. Es war eine typische „Rodigan old school night“.
Das deutsche Publikum hingegen ist sehr energiegeladen und die meisten Leute kennen sich gut mit der Musik aus. Es ist immer wieder eine Freude in Deutschland zu spielen. Man merkt, dass gerade in Berlin und Köln das Reggae-Herz schlägt. Ich hatte einige wirklich gute Partys in diesen Städten. Deutschland zeigt eine große Leidenschaft für Reggae.



Beschreibe uns doch bitte, wie sich dein spezieller „Rodigan-Style“ entwickelt hat.

Ich denke es liegt daran, dass ich immer der Meinung war Menschen sollten sie selbst bleiben. Es wäre albern, wenn ich versuchen würde Jamaikaner zu sein oder ein anderer Selector. Ich kann nur ich selbst sein. Ich bin über die Jahren dabei immer selbstsicherer geworden. Als ich in den 70ern angefangen habe auszulegen, zitterte ich jedes Mal vor Nervosität und brachte es kaum fertig etwas ins Mic zu sagen. Dann ist mir klar geworden, dass ich einfach ich selbst sein muss. Ich habe die Musik immer geliebt und irgendwann fing ich an meine Erlebnisse mit dem Publikum zu teilen. Vielleicht rede ich dabei manchmal auch ein bisschen zu viel (lacht).

Was genau ist es, dass du so an Reggae liebst?

Ich kann es nicht beschreiben. Wenn ich ins Publikum sehe und die ganzen lächelnden Gesichter sehe, fühle ich mich immer noch genau so wie mit 18 Jahren, als ich angefangen habe aufzulegen. Am Mittwoch hatte ich meine erste Show in Moskau. Dort kamen zwei 18-jährige zu mir und wollten Songs hören, die ich das erste Mal gehört habe, als ich so alt war wie sie. Es hat sich nichts geändert. Ich bin einfach nur 30 Jahre älter. Die Musik berührt nach wie vor die Seelen der Menschen. Ich lege fast mein ganzes Leben lang auf, weil ich die Musik liebe und mit anderen teilen will. Musik verbindet die Menschen, weil es um ein universelles Gefühl und eine universelle Botschaft geht. Wenn man Lieder von Bob Dylan, Bob Marley oder Peter Tosh hört, fühlt man dass es sich um etwas besonderes handelt. Auch wenn man die Worte nicht versteht.

Ich habe gelesen, dass du in Hannover geboren bist und in Deutschland lebtest bist du vier Jahre alt warst. Hast du immer noch eine besondere Bindung zu diesem Land?

Ja. Ich habe hier bis zu meinem vierten Lebensjahr gelebt bis ich dann mit meinen Eltern nach Nordafrika ging. Man erinnert sich immer an den Ort, an dem man geboren wurde. Es ist schon etwas Ironie dabei, wenn ich jetzt wieder nach Deutschland komme, um hier zu spielen. Damals konnte ich ja davon noch nichts ahnen.

Also, ich hoffe du hast keine Pläne dich zu Ruhe zu setzten...

Nein, die habe ich nicht. Das T-Shit was ich trage (Mr. Rochsteady) habe ich heute bekommen. Ich erinnere mich noch daran als damals das Album Mr. Rocksteady von Ken Boothe herauskam in den 60ern. Und jetzt im neuen Jahrtausend spiele ich immer noch die Musik, die ich liebe. Ich sehe das als großes Glück an. Reggae ist meine Leidenschaft und die Möglichkeit das mit anderen zu teilen ist einfach großartig. Deshalb kann ich auch eine launischen DJ leiden, die nie das Publikum ansehen. Die Leute geben ihr hart verdientes Geld aus, um auf Partys Spaß zu haben und unterhalten zu werden. Da ist es ein Unding, wenn DJ die ganze Zeit nur gelangweilt rumstehen und sich mit ihren Freunden unterhalten. Dafür habe ich absolut kein Verständnis.



Father Rodigan & Bitty McLean.........die Foto"s!!!