Dellé im Interview
„Dein Debut Album „ Before I Grow old“ kam 2009 raus, jetzt 7 Jahre später kommt „NEO“. Da war eine lange Zeit dazwischen. Wann war der Zeitpunkt da zu sagen, JETZT gehe ich mit diesem neuen Album raus?
Dellé :
„Der Zeitpunkt war eher WANN fange ich an das zu produzieren. Der wurde dadurch ausgelöst, dass, und so ist es eigentlich meistens, das mit SEEED wieder eine Pause angekündigt wurde. Wir haben 2012 das letzte SEEED Album rausgebracht und haben sehr viel gespielt in Deutschland und im Ausland. Ende 2014 sagte Pierre „Ahh, jetzt machen wir erstmal eine Pause, ich will meine Drum School eröffnen, und an anderen Projekten arbeiten, bevor wir wieder am nächsten SEEED Album machen.“ Das ist ja auch das Erfolgsrezept dieser geilen Band SEEED, dass man sich genug Freiräume belässt, um es nicht abzunutzen. Das war für mich der Startschuß Guido Craveiro in Köln anzurufen und zu sagen, lass uns Ideen sammeln, lass uns loslegen. Und seitdem bin ich dran Songs zu schreiben.“
Wie gehst Du vor wenn Du einen neuen Song schreibst?
Dellé :
„Es gibt unterschiedliche Weisen. Es kommt vor, dass Guido mir einen Beat schickt, der mich zu einer Geschichte oder zu einem Song inspiriert. Im Endeffekt geht es darum, die Geschichten, die Sachen, die mich bewegen, mich berühren, in Musik umzusetzen.
Und daraus ein Lied zu machen, das jemand entweder die Geschichte versteht oder einfach in Verbindung mit der Musik ein Vibe gibt, der was mit einem macht.
Dann gibt es die Variante, wo ich mich mit der Gitarre hinsetze und wirklich versuche mir eine Melodie und Akkordfolge aufzuschreiben, die ich vielleicht einsinge und jemanden schicke, der das dann in eine bestimmte Richtung produziert. Und es gibt die Variante, wo ich mich selbst ransetze und Beats produziere, die ich dann geil finde. Es gibt ganz verschiedene Art und Weisen. Bei „NEO“ war es ganz viel so, dass Guido mir Beats geschickt hat, die ich zu meinen Songs gemacht habe, die er wiederum angepasst hat, an die Songs, die ich wiederum gemacht habe.
Viele deiner Texte sind sehr emotional und persönlich. Wie ist es für Dich, wenn dann der Song vom Publikum anders wahrgenommen wird als für dich?
Dellé : „Das finde ich ganz wichtig für mich. Das ist ja das Tolle an Musik. Das sie in verschiedensten Leuten unterschiedliche Sachen auslöst. Vor allem in dem Zustand in dem du Musik rezipierst, ist ja oft unterschiedlich und dann löst sie vielleicht andere Sachen aus. Das ist das Geile an Musik. Mir ist nur wichtig, dass wenn man tiefer gräbt, das es Substanz hat. Gerade in unserem Genre REGGAE was hierzulande als fröhliche Reggae Musik gesehen wird, ist ja oft so, dass der Song einen anderen Vibe gibt als was der Song inhaltlich sagt, gerade bei der Benutzung von englishem Patwah, wo man nicht versteht, was der Sänger sagt, einem manchmal in die falsche Richtung lenken kann, aber falsche Richtung gibt nicht. Wenn jemand zu Buffalo Soldier fröhlich tanzend durch die Gegend sich bewegt, dann ist das erstmal was Gutes. Wenn er später entdeckt, um was es bei dem Song eigentlich geht, und das für sich neu entdeckt, dann ist das der nächste Schritt. Wichtig ist, dass derjenige, der den Song schreibt sich Gedanken macht damit irgendwas zu transportieren, was über das hinausgeht. Aber es ist auch legitim Songs zu machen, wo es nur ums Abfeiern geht, aber ich ärger mich nicht darüber, wenn jemand meine Songs falsch interpretiert. Sondern, ich freu mich, wenn es ihn nicht kalt lässt.
„TIC TOC“ mit Gentleman ist ein fetter Dancehall Song, der auch in der Dancehall gespielt wird. Das Thema ist ja eher Ernst, es läuft Dir die Zeit davon … und das Video ist in den Barrios von Buenos Aires gedreht. Argentinien lief schon mal die Zeit davon, 2001 waren sie zahlungsunfähig.... jetzt hoffen Sie auf ein Wirtschaftwunder. War das auch ein Grund für die Location?
Dellé: Locationwahl war nicht deswegen. Das wir in Argentinien gedreht haben, lag daran, dass wir mit SEEED eine Südamerika Tour gemacht haben. 2015 haben wir auf dem Lollapalozza Festival in Berlin als Headliner gespielt. Eigentlich wollten wir in diesem Jahr keine Auftritte. Dann bot sich die Gelegenheit 2016 auf dem Lollapolzza in Südamerika zu spielen, wir haben in Kolumbien, Brasilien, Chile usw...performt, in Argentinien waren dann 5 Tage OFF Days. Und da hab ich mir gesagt, hier meine DELLÉ Videos Dreh vor der unglaublichen Kulisse in Buenos Aires, wenn Du das schaffst, WOW. Versteh mal,
Ich kann hier schlecht im YAAM drehen, im Gegensatz dazu, was ich da kriege. Mein Regisseur sagte wir machen 2 Videos. Da wir dann beide da unten gedreht haben, gerade die Single mit Gentleman „TIC TOC“, der die abgefeiert hat, musste ich zu ihm sagen, du musst nach Südamerika kommen. Dann kam er für ein Tag eingeflogen, dann war der irre Videodreh von morgens um 7:00 Uhr bis abends, nächsten Tag nochmal Videodreh und dann Soundcheck Lollapalooza. Deswegen war es in Buenos Aires.
Zum Thema es läuft die Zeit davon, das man irgendwann stirbt, ist immer so Ernst. Ich finde dagegen, ich bin froh kein 400jähriger Dracula zu werden. Ich habe eine begrenzte Zeit, in der kann ich was machen, so gut wie möglich zu machen, und dann dürfen die Kinder übernehmen, die nächste Generation. Das ist auch wichtig. TIC TOC war ja aus der Sache entstanden, es gab mal den Song „Sekundenschlaf“ von Peter Fox in Verbindung mit Materia. Eigentlich wollten wir diesen Song mit SEEED spielen, und Pierre sagte, schreib doch ne Strophe dazu, wenn Marteria nicht da ist, können wir den trotzdem spielen. Es kam nie dazu. Aber ich hatte diese Strophe geschrieben, und fand dieses Thema einfach geil. Marterias Song geht eher düster ran, Du fühlst dich so alt wie du alt bist, hau nochmal drauf in der Midlife Crisis. Geiler Song, auch geil interpretiert, aber ich hab gedacht, ah nee, wie wir in unserem Alter so über 40 so abgehen, die Lustigkeit die in dieser Midlife Crisis zum Teil aus europäischer Sicht gesehen, drinsteckt. Wir haben nicht diese Weisheit sondern diese Angst, es ist bald vorbei, und nochmal richtig abgehen, „rock the fucking shit, before you grow old“ , so wollte ich das Thema nochmal angehen. Und habt dann daraus versucht eben diesem Tic Toc Tiiiccc toccc ein Refrain zu basteln, der ein rhythmisches Muster hat.
Daraus ist eher dieser fröhliche Refrain entstanden. Denn Song hatte ich komplett fertig, und dachte, dass ist genau das Ding für Gentleman, mit dem hab ich noch nie was gemacht. Ich hab immer Gentleman bewundert, dass er es als Weißer aus Köln es in Jamaica geschafft hat. Und dann waren wir den ganzen Tag zusammen und konnten zusammen Patwah sowie Deutsch reden. Wir haben die gleich Sozialisierung und Affinität zu Afrika, das war sehr besonders.
Du gehst ja mit „NEO“ im Herbst auf Tour. Hast Du ein Ritual vor jedem Konzert?
Dellé: Ja, ich bin am 8.11. im Berliner Postbahnhof und toure sonst durch Deutschland. Davor sind noch die Festivals, auf die ich mich sehr freue.
Wir haben so ein Ritual. Wir stellen uns alle im Kreis auf und es wird gebetet. Meine Gospelsängerinnen sind sehr christlich. In sich gehen und als Mannschaft auf die Bühne gehen, ist großartig.
Wie stehst Du als Berliner zu Berlin:
Dellé: Berlin ist eine internationale Stadt geworden. Ich fand Berlin auch immer so besonders, nicht weil soviele Berliner hier sind, sondern weil es soviele Einflüsse gibt. Das Leute sich trauen, nach Berlin zu kommen und was wissen wollen, diese Vielfalt - es ist alles da. Vorallem mein Freiheitsgefühl in Berlin ist trotz aller Umstände ungetrübt.
Danke für das Interview.
Das Album „NEO“ erscheint am 24.6.2016 und ist erhältlich als Vinyl, CD & mp3 Download.