Dellé - Interview
Wie bist du zur Musik gekommen?
Von meinem sechsten bis zum zwölften Lebensjahr haben ich in Ghana gelebt, der Heimat meines Vaters. Geboren wurde ich in Berlin, wo mein Vater Medizin studierte. Darüber haben sich meine Eltern kennen gelernt. In Ghana hat mich von allem Musikrichtungen Roots Reggae am meisten geprägt. Besonders Bob Marley hat mich fasziniert, da er seine Geschichte von Vertreibung und Unterdrückung so bewegend in seiner Musik ausgedrückt hat. Zurück in Deutschland habe ich festgestellt, dass die Leute hier Reggae ganz anders begriffen. Für die meisten war ein eine entspannte „Summer-Sunshine-Musik“. Dieser Eindruck entsteht auch schnell, wenn man die Texte ausblendet, doch für mich hatte Reggae immer etwas rebellisches an sich.
Ich habe in verschiedenen Schulbands gespielt und dabei auch Erfahrungen mit Rock und anderen Musikrichtungen gemacht, doch Reggae ist der rote Faden, der sich durch mein gesamtes Leben zieht.
Seeed hat sich 2007 zu einer Pause entschlossen. Dein Album kam Mitte diesen Jahres raus. Wie hast du die Bandpause sonst so verbracht?
Ich war zu erst kein Freund der Pause, da ich mich nicht ausgebrannt, gestresst oder sonst wie fühlte. Dann wurde jedoch meine Tochter geboren, was mein ganzes Leben verändert hat. Ich konnte Papa sein und mit meiner Familie drei Monate in die USA reisen. Dafür war die Pause einfach perfekt.
Durch die Ruhe und die vielen neuen Erfahrungen kam dann in mir die endgültige Motivation hoch mein Roots-Album zu machen. Ich hatte schon vorher mit dem Gedanken gespielt, aber nie den Schritt gewagt. Vor meiner Abreise in die USA habe ich Guido Craveiro kennen gelernt, einem Musiker und Produzenten aus Köln mit dem ich bei der Produktion von „ Before I grow old“ eng zusammen gearbeitet hab. Schon in den USA haben wir uns fast täglich gemailt und als ich wieder in Berlin war, ging die Arbeit los.
Was kannst du uns über das Album erzählen?
Ich nutze die starken Vibes der Reggae-Musik um meine eigene Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines guten Elternhauses, Freiheit, Liebe und der Familie als Kraftquelle. Musik ist so ein großartiges Mittel deine Persönlichlkeit auszudrücken. Mir ist es wichtig nicht irgendeine Show abzuziehen. Ich bin kein Rastafari, obwohl ich durch mein Äußeres oft dazu gemacht werde. Ich will einfach mein Ding machen. Dadurch das wir mit Seeed so einen Riesenerfolg hatten, habe ich jetzt die einmalige Möglichkeit ein reines Reggae-Album auf einem Majorlabel rauszubringen. Ich habe viele persönliche Songs z. B. über meine Tochter oder über den Tod meines Vaters auf das Album gebracht, was in der Band nicht möglich gewesen wäre.
Wer hatte denn die verrückte Idee für das Cover?
Ich natürlich! (lacht) Der Truthahn hatte für mich schon immer eine besondere Bedeutung. In Ghana hat mein Vater als Arzt gearbeitet. Er unter anderm auch Menschen behandelt, die Krankenhausoperationen nicht bezahlen konnten. Zum Dank haben uns einige Patienten, Geschenke nach Hause gebracht. die Landbevölkerung oft in Form von Tieren. So hatten wir z. B. Ziegen und eben auch einige Truthähne. Ich fand die Tiere einfach schon immer lustig.
Besonders beeindruckend aber ist eben diese Geräusch was der Truthahn macht.
Kulu Klu Klu
Eines Tages wollte ich auf dem Weg zur Schule gerade über eine Straße gehen und höre hinter mir dieses Geräusch. Ich bleibe stehen und drehe mich um und in dem Moment rauscht dicht vor mir ein Auto vorbei. Hätten die Truthähne nicht gackert, wäre ich jetzt vielleicht nicht mehr am Leben. Seit dem ist der Truthahn eine Art Schutzengel für mich. Und wer sonst kommt schon auf die Idee so ein hässliches Vieh auf ein CD Cover zu packen? Das Foto ist übrigens keine Montage. Der Vogel stand so dicht neben mir, dass ich zum Teil seinen Atem mit Nacken gespürt hab...
Am 14.12. gibst du ein Berlin-Konzert. Was wird uns erwarten?
Über Musik reden ist immer schwer. Um meine Show musikalisch zu beschreiben würde ich sagen Roots Reggae/Dub/Dancehall pon di next level! Wer vorab schon mal einen Eindruck bekommen will, schaut sich am besten den Stream vom Fritz Radio Konzert an (siehe unten). Bei der Tour freue ich mich generell darauf, das Publikum neu für mich gewinnen zu müssen. Diese Herausforderung braucht jeder Künstler, doch auf einer großen Bühne, wo alle schon vorher „SEEED“ schreien, geht das natürlich verloren.
Wie ist dein persönlicher Bezug zu Berlin?
1993 kam ich zum Studium in Babelsberg wieder nach Berlin. Meine Rückkehr war gleichzeitig auch ein ankommen. Meine Eltern haben sich hier verliebt und ich bin hier geboren worden. Hier hat alles angefangen. Es war für mich auch spannend den Entwicklungsprozess nach dem Mauerfall zu erleben. Auf der einen Seite verbinde ich ein starkes Heimatgefühl mit Berlin bzw. Deutschland, aber auf der anderen Seite gibt es für mich auch Ghana als zweite Heimat. Wenn ich in Hamburg spiele bin ich ganz klar Berliner (lacht), doch ich bin gegen diese Großstadtmentalität von Leute, die nie aus ihrer Stadt rausgekommen sind, aber meinen sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Wie beschreibst du deine Zeit bei Seeed und wie wird es mit der Band weiter gehen?
Seeed ist für mich definitiv die Band mit der ich mir vorstellen kann alt zu werden. Die ersten zehn Jahre haben wir gepowert ohne Ende. Damit es auch die nächsten zehn Jahre so gut weiter läuft, ist es wichtig, dass sich jeder auch mal die Zeit nimmt sich allein zu verwirklichen. Das musste ich aber auch erst einsehen.
Anfang 2011 wollen wir unser nächstes Seeed Album fertig haben und auf den Festivals spielen.
2010 werde ich Euch mit meiner 11 köpfigen Band die Wartezeit versüssen.
Danke, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast.
Fritz Radio Konzert:
http://fritz.de/aktuell/2009/november/das_delle_radiokonzert0.html