Reggae in Berlin

Jahcoustix Interview 2010

 

Unser letztes Interview ist schon gut zwei Jahre her, seitdem hat sich bei dir viel getan und du bist viel mit Gentleman unterwegs gewesen, erzähl mir davon.

 

Es läuft super. Wir haben uns ja 2008 getroffen und 2009 ist bei mir sehr viel passiert. Im Januar bin ich das erste Mal nach Jamaika geflogen zusammen mit Gentleman und seinem Manager. Sie sind rüber geflogen, um Riddims für Gentlemans neues Album zu sammeln, da habe ich mich einfach dran gehängt. Wir sind durch die Studios getingelt und ich haben jede Menge Leute kennen gelernt. Meine Gitarre hatte ich immer dabei, wodurch ein paar sehr schöne Jamsessions entstanden sind.

Im Frühjahr waren wir dann zusammen in Lateinamerika auf Tour und in der Karibik.

Im Sommer bin ich dann zurückgekommen und habe ich auf diversen Festivals gespielt. Ende das Jahres ging es dann zusammen mit den Jungs von „Yard Vibes“ drei Wochen in Afrika auf Tour, weil wir über das Goethe Institut die Möglichkeit bekommen haben in sieben westafrikanischen Ländern aufzutreten. Es war unbeschreiblich, ich kann es gar nicht in Worte fassen. Wir hatten jeden Tag volles Programm: Workshops mit lokalen Musikers, Interviews, Auftritte... Wir waren drei bis vier Tage in einem Land, dann ging es weiter, es war schwer so viele Eindrücke zu verarbeiten.

Danach waren wir noch zwei Wochen in Israel und in Jordanien, was auch eine wundervolle Erfahrung war. Hier hört man in den Medien ja immer nur von den negativen Sachen, die politisch falsch laufen. Als Künstler dort zu sein und viele auch gerade junge Leute kennenzulernen war toll. Ich wurde offen empfangen und ich habe gemerkt, dass es dort viele Menschen gibt die meine Auffassung teilen, dass man die Geschichte nicht vergessen sollte, doch dass man in die Zukunft schauen und nicht an der Vergangenheit festhalten sollte.

 

 

Bist du während deiner Afrika Tour auch nach Kenia in deine alte Heimat gekommen?

 

Ich war seit Jahren nicht mehr in Kenia, obwohl ich dort noch Freunde habe. Kenia geht im Moment leider total den Bach runter. Es ist traurig zu sehen, wie ein Land das in den 80er Jahren das wirtschaftliche Aushängeschild Ostafrikas war, inzwischen 80 Meter tief bohren muss, um an Wasser zu kommen. Das Land wird von der Blumenindustrie ausgebeutet. Die Schuld daran trägt nicht nur die Korruption im Land sondern auch die humanitären Organisationen, die versagt haben und die Weltbank. Entwicklungshilfe funktioniert nicht, wenn man versucht den Leuten dort westliche Werte aufzuzwingen. Afrika muss unabhängig werden. In Afrika schlummert ein großes Potenzial. Hier sieht man immer nur Bilder von Müttern mit hungernden Kindern und diese Bilder sind auch Realität. Doch gibt es auch eine andere Realität. So gibt es in Westafrika eine florierende Mittelschicht, die notwendig für eine stabile Gesellschaft ist.

Ein anderes Thema ist Religion. In Kenia habe ich zum Beispiel erlebt wie Leute zu mir sagten „Du bist besser als ich, denn du bist weiß. Weißt du warum? Weil Jesus Christus auch weiß war. Und ich bin verdammt, weil ich schwarz bin.“. Das konnte ich kaum glauben. Religion hat in Afrika eine krasse Macht, was auf der einen Seite gut ist, denn sie gibt den Menschen Hoffnung. Doch überall siehst du das Abbild von einem weißen Jesus. In Interview habe ich das auch offen angesprochen. Ich habe gemerkt, wie die Leute bei dem Thema zusammengezuckt sind, aber gleichzeitig froh waren, dass endlich mal einer, ein Weißer, ausspricht, was sie insgeheim denken.

 

Wie sieht denn die Reggaeszene in Israel aus?

 

Das Schöne an Israel ist, dass dort einfach alles vertreten ist. Israelische Reggaebands machen oft eine Mischung aus Rock, Reggae und lokaler Musik. In Tel Aviv ist auch viel Elektro vertreten. In der Stadt leben unheimlich viele junge Leute, die das Stadtbild prägen.

Viele jamaikainischen Artist kommen auch nach Israel. Es gibt da auch Dances und Soundsystems wie hier, die die jamaikanischen Tunes spielen.

 

Hat dein Aufenthalt auf Jamaika Einfluss auf deine Musik gehabt?

 

Es war sehr faszinierend nach Jamaika zu kommen. Das erste Mal wollte ich eigentlich 2004 hinfliegen, doch daraus wurde nichts, weil ich am Tag vorher einen schweren Autounfall hatte.

Also ich jetzt dort war, war ich erstaunt, wie sehr mich Jamaika an Afrika erinnert hat. Das Leben auf der Straße, die vielen kleinen Stände, an denen man Getränke und einzelne Zigaretten kaufen kann, überall hört man Musik und die Leute tanzen... Es war auch spannend als weißer mit Dreadlocks auf die Insel zu kommen. Dadurch bin ich öfter in Reasonings gekommen, wo kritische und grundlegende Fragen besprochen wurde. Man muss dazu wissen wer man ist und warum man tut, was man tut. Ich kenne diverse Leute, die auf der Insel viele negative Erfahrungen gemacht haben. Das kann ich nicht bestätigen, aber ich durch mein Umfeld in dem ich mich dort bewegt habe, saß ich quasi auch im gemachten Nest.

Auf Jamaika habe ich einige der Lyrics geschrieben, die jetzt auf „Crossroads“ drauf sind und ich werde bestimmt mal wieder hinfliegen. Es gibt aber auch noch jede Menge andere Orte auf der Welt, die ich unbedingt sehen will.

 

Hast du Artists getroffen, mit denen du in Zukunft vielleicht mal zusammen arbeiten wirst?

 

Ich habe sehr viele Artists getroffen. Luciano, Freddy McGregor, Movado, Beenie Man... Das lustige war, dass viele von denen mich kannten. Beenie Man ist zu mir gekommen und meinte „Yo Jahcoustix greetings...“. Es ist halt eine überschaubare Szene.

 

 

Wie war es für dich in Lateinamerika aufzutreten?

 

Es war der Wahnsinn! Die Leute haben mich schon krass abgefeiert. Ich stand allein mit meiner Gitarre auf der Bühne und die Leute sind ausgerastet. Das war ein tolles Gefühl. Gentleman wurde gefeiert wie der Messias. Seit 2003 hat sich seine Musik dort extrem verbreitet, obwohl er noch nie da war. Die Leute waren hungrig ihn zu sehen.

 

 

Und dass obwohl die meisten wohl nicht mal die Texte eurer Songs verstanden haben...

 

Das beweist letztendlich, dass Musik über die Grenzen der Sprache hinausgeht. Natürlich ist es wichtig, dass Leute dich verstehen, gerade wenn du eine bestimmte Message vermitteln willst, aber Wörter sind auch ein Katalysator für Gefühle und die kannst du den Menschen auch durch die Art WIE du es singst vermitteln. Außerdem denke ich schon, dass zumindest jüngere Leute wenigstens einen Teil der Texte verstehen. Viele machen sich einfach auch echt die Mühe sich die Lyrics zu übersetzen.

 

Und wie ging es dann weiter?

 

Mit diesen ganzen Eindrücken und der daraus gewonnenen Energie haben wir uns dann Anfang 2010 daran gemacht die neue Platte aufzunehmen. Drei Wochen lang haben wir uns dazu in Würzburg in der Pampa eingesperrt und nur Musik gemacht.

 

 

Die letzte Platte hast du zusammen mit den Outsidepalyers aufgenommen und „Crossroads“ mit „Yard Vibes“, willst du die nächste Platte wieder mit einer anderen Kombo aufnehmen?

 

Man weiß natürlich nie was die Zukunft bringt. Outsideplayers war ein extra Projekt. Wir haben zusammen eine kleine Tour gemacht, aber jeder der Beteiligten hat seine eigenen Projekte. Yard Vibes hingegen ist meine Band und wenn es so weiter läuft wie bisher, werden wir noch jede Menge Platten zusammen aufnehmen.

 

 

Was kannst du mir über dein neues Album erzählen?

 

Bei der Platte hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass das Ding aus einem Guss entstanden ist. Dadurch, dass wir uns für die Aufnahmen total abgekapselt haben und sonst nichts anderes gemacht haben, konnten wir uns jeden Tag einen Song vornehmen. In jedem Song wurde also der Vibes des jeweiligen Tages erfasst. Ich habe dann jedes Mal ca. zwei Stunden meine Lyrics in einem Stück eingesungen. Dadurch wurden sie nicht zerstückelt und ich habe im Nachhinein ein ganz anderes Verhältnis zu meinen Lieder, als wenn sie durch ewiges Schneiden und Zusammenstückeln entstanden wären. Es war eine schöne harmonische Zeit.

Jetzt ist die Platte draußen und wir sind auf Tour. Es gibt sowieso nichts schöneres als neue Songs live zu spielen. Außerdem bin ich noch bis Ende Dezember mit Gentleman unterwegs, wo ich mir neue Terretorien erspielen kann. Nächste Woche kommt das Album in Frankreich auf den Markt. Ich Will so viel wie möglich live spielen, um die Scheibe zu promoten. Abgesehen davon gibt es auch schon genug Songs für das nächste Album...

 

 

Danke für das Interview.