Reggae in Berlin

MELLOW MARK Interview 2018

RIB: Mark, schön, dass wir uns heute zu deinem Konzert im Botanischen Garten treffen. Wie empfandest du das Konzert eben?


 

MM: Es ist schon witzig, dass ein paar ca 80-jährige Leute zum Reggae-Konzert kommen und sich auch noch amüsieren. Musikliebhaber sein ist einfach unabhängig vom Alter. Da sind die Betagteren auch die, die viel mehr Musikgeschichte erlebt haben und mit sich herumtragen.


 

RIB: Vor fast 3,5 Jahren haben wir uns das letzte Mal getroffen. Wir sprachen über Spiritualität, Drogenpolitik, Heimat und dein damals frisch erschienenes Album „L.I.E.B.E“.

Jetzt ist gerade dein aktuelles Album „Nomade“ draußen, was hast du in den letzten Jahren sonst noch gemacht?


 

MM (überlegt kurz): Also damals hatte ich schon meine zweite Tochter und das Familienleben ist intensiver geworden. Vor zwei Jahren habe ich das Album „Roots & Flügel“ rausgebracht, das damals schon das Anschlußalbum für die EP „Bye Bye Babylon“ war. Es wurde vonHouse of Riddim in Österreich produziert und es war insgesamt eine sehr, sehr schöne Zeit und es wurde eine schöne Platte mit ganz vielen Gästen: Crosby BolaniDon Caramelo von Raggabund, Uwe KaaMirta Junco WambrugGanjamanMiwataJahcoustix und noch mehr.

„Roots & Flügel“ gehört auf jeden Fall mit dem Album „Nomade“ zusammen. Es wurden beide Scheiben in Österreich produziert mit dem Unterschied, dass Ganjaman bei „Roots & Flügel“ noch mit als Sänger gefeaturet war und bei „Nomade“ ist er dann eher zum Produzenten geworden. Er hatte es gemischt und gemastered und dem Ganzen den besonderen Schliff gegeben, was total viel ausmacht, finde ich. Wir haben uns beim Album „Nomade“ gesagt: Lieber Qualität als Quantität, wir machen eine Vinyl-Platte. Tatsächlich haben wir dann auch auf die Länge einer Vinylplatte hingearbeitet und nicht noch mehr Songs draufgepackt. Wir haben noch mehr Songs und es gibt auch Bonustracks die auch rausgekommen sind oder noch rauskommen werden, aber diese Platte ist wirklich genau das was auf eine Vinyl passt.

Die Selektion der Songs, die Message und der Vibe vom „Nomade“ ist in sich sehr stimmig geworden, weil es einfach von Anfang bis Ende gute Laune und gute Vibes widerspiegelt. Es hatte eine bestimmte Erzählperspektive. „Roots & Flügel“ hat eher so die Sturm und Drang-Energie wie meine allererste Platte „Sturm“ und das aktuelle Album ist eher wie „Das fünfte Element“: Eine sonnige, warme, helle Platte, bei der sehr viele gute Vibes entstehen und hoffentlich auch ankommen.


 

RIB: Wow. Also ich kann nur sagen, dass die Vibes von „Nomade“ bei mir gute Laune vermittelt haben. Man bekommt sofort Lust die Füße in den Sand zu stecken und übers Leben nachzudenken. Wie kam es zu den Features auf dem aktuellen Album?


 

MM: Ich hatte das Glück, dass Thomas D ein Feature für mich gemacht hatte, außerdem Jamaram. Ich war mit Jamaram im Frühjahr 2017 auf Tour, sie haben ein Feature von mir auf ihrem Album, ich eines mit ihnen auf meinem Album und es wird im Herbst 2017 und Frühjahr 2018 weitergehen. Da ist eine Mellow Mark/Jamaram Tour geplant. Ich kenne Jamaram schon ewig, das ist fast wie eine Familienzusammenführung. Wir hatten vor Kurzem Release unseres Featurevideos, namens „Cross The Line“, was ein bisschen anders produziert wurde. Wir saßen zusammen und sagten uns, ’Nicht noch eine Akustikgitarren-Jam-Nummer’, lass uns mal was anderes machen. Dann haben wir gesagt, wir machen eine Mischung aus programmierten Beats und live eingespielten Parts. Am Ende git es einen Drum’n’Bass-Teil, der von Analog Basscamp live eingespielt wurde. Total verrückt: Das ist eine Live-Dub-Combo mit Drummer, der einfach so spielt wie es andere nur programmieren können.

Umberto Echo, ein bekannter Mischer und Produzent aus München, hat das ganze dann gemischt und produziert. Das ist echt ‚High-Level-Shit‘.

Und weil zufällig Tom Lugos Schwester Sara Lugo ist, hat Sara bei dem Song einfach mal die Backings gesungen. Ohne großen Stress ist mal so eben Sara Lugo mit auf den Track draufgekommen, das ist schon total witzig wie sich das alles so ergeben hat. Dafür bin ich echt dankbar.


 

RIB: Außerdem ist Tim Anders, der dich auf dem heutigen Konzert begleitet hat, auch auf dem Album mit vertreten.


 

MM: Tim begleitet mich schon seit 2,5 Jahren, da war er mit mir auf Tour und wir haben uns immer mal wieder getroffen. Er als Straßenmusiker war auch mal Vorband, er war wirklich schon bei vielen Konzerten dabei. So viel wie wir zusammen unterwegs waren, ist es schon verrückt, dass NUR ein gemeinsamer Song dabei herauskam.


 

RIB: Du hast wieder oft auf die spanischen Intros zurückgegriffen. Wie kam das?


 

MM: Unsere spanische Stimme Meritxell Campos Olivé aus Barcelona ist auch wieder dabei, ja. Das haben wir auf dem Album richtig zelebriert, sie ist auch auf ein paar Bonustracks dabei, die es jetzt nicht auf das Album geschafft haben. Das ist wie ein roter Faden, ich denke viele Leute erinnern sich noch an das Album „Das fünfte Element“, auf dem sie auch schon Sprecherparts hatte, und wenn sie jetzt die Stimme wieder hören ist der Vibe wieder da und lebt wieder auf. Damit bin ich ziemlich zufrieden, muss ich sagen.


 

RIB: Was hat sich sonst noch so getan?


 

MM: Wenn man sich mal überlegt, dass ich vor ein paar Jahren da stand, ohne Label, ohne Irgendwas und jetzt zwei Roots-Reggae-Alben gemacht habe, in einer Zeit, in der Roots-Reggae nicht gerade populär ist – umso mehr Liebe und umso mehr Spaß ist da reingeflossen. Ich höre immer Leute, die sagen deutsche Texte und Reggae, das funktioniert nicht so gut – Jan Delay hatte dazu mal ‚Karl-May-Reggae‘ gesagt – ich würde sagen, z.B. bei Ganjaman ist es nochmal was ganz Eigenes. Er textet, singt und performt, ist auch sehr respektiert außerhalb der deutschen Szene. In meinem Fall würde ich sagen, am Ende des Tages ist es einfach Musik und ich bin nicht angetreten, um mich mit jemandem zu streiten, ob das nun Reggae ist oder nicht. Die Bassline ist schön, das muss man einfach laut hören. Reggae ohne Bass funktioniert einfach nicht. Wenn die Leute dann am Smartphone Reggae hören, ist es kein Wunder, dass sie sagen, das flasht mich jetzt nicht so. Reggae hört man einfach nicht aufm Smartphone. Vielleicht ist das auch der Grund warum Reggae in den letzten Jahren ein bisschen von der Bildfläche verschwunden ist. Aber jetzt gibt es ja die schönen Bluetooth-Lautsprecher, vielleicht helfen die dem Reggae wieder etwas, zu wachsen, die Kids haben ja jetzt den "Bass im Rucksack". Musikalisch ist aus meiner Sicht eine gute Bassline das wichtigste im Reggae und ich habe bei allen Tunes drauf geachtet, dass die Basslines alle top sind. Wir hatten echt einen Mega Bassisten am Start. Da hab ich selber Spaß das Zeug zu hören.

Ich sage euch: „Leute, macht euch nicht so einen Kopf, fühlt es und jeder Sänger muss auf seine eigene Art und Weise einen Weg finden, sich authentisch rüberzubringen. Dann machst auch keinen Sinn auf englisch zu singen, nur weil alle auf englisch singen.“


 

RIB:  Du sagtest „Leute, macht euch nicht so einen Kopf“ – ich finde du hast auf dem Album leichte Lyrics schon mit tiefergehenden Themen kombiniert, da kann man sich als Hörer schon durchaus mal „einen Kopf machen“.


 

MM: Wenn du es genau durchhörst, kann in die Texte jeder für sich selbst viel reininterpretieren, am Ende ist es aber einfach gute Laune. Klar, es ist immer noch Intellektueller als irgendwelche Pop-Songs, letztendlich geht es aber einfach nur ums Tanzen.


 

RIB: Die Tatsache, dass du Vater bist, spielt schon eine Rolle, du singst von Floskeln wie „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr“. Man könnte fast von einem pädagogischen Touch reden.


 

MM: Es ist so ein Balance-Akt. Musik machen und ne Familie haben ist nicht immer ganz einfach. Nomade sein und zuhause die Kinder zu haben muss man irgendwie zusammen kriegen.


 

RIB: Das Nomade-Album ist ja selbst auch ein Nomade und wird nicht immer erhältlich sein. Wie lange noch?


 

MM: Ja, das Album ist wie die Sommer-Edition von so ner Schokofirma. Es wird bis Mitte September erhältlich sein, spätestens Ende des Sommers ist es dann erstmal wieder weg vom Markt.


 

RIB: Denkst du über eine Fortsetzung mit den aussortierten Tracks nach?


 

MM: Doch. Das ist eigentlich schon alles halbwegs geplant. Mal sehen, welche neuen Ideen dann noch dazukommen. Es gibt auch den Plan von einer Platte mit Kindermusik. Mellow Mark ist ja schon immer kinderkompatibel gewesen. Und die Leute, die mich vor 15 Jahren gehört haben, die haben meist jetzt auch schon Kinder. Wir sind irgendwie alle gemeinsam in einer anderen Phase.


 

RIB: Wir sagen Danke für deine Zeit und sind schon gespannt auf die künftigen gemeinsamen Phasen!