Nosliw Interview 2012
20.06.2012,
Hi Nosliw, was erwartest du dir von der Show, es ist ja schon beachtlich voll?
Im Grunde erhoffe ich mir garnichts, da die Leute, die zu meiner Show kommen, sowieso meiner Meinung sind. Mein Job ist es heute das die Leute, die die ganze Sache hier organisieren und sich engagieren mit ihrer Sache bestätigt fühlen. Ich brauche den Leuten nicht mehr zu erklären, was man tun und lassen soll, aber wir feiern heute einfach die Normalität des Lebens. Im Grunde erwarte ich mir heute nur, dass die Leute abgehen und dass das Ganze auch Nachhaltig wirkt.
Du setzt dich mit deinem Auftritt heute auch gegen Homophobie und Sexismus im Reggae ein, wie empfindest du die Lage zurzeit?
Störend, sehr störend. Zurzeit ist sie nach wie vor da, so wie sie immer da war. Es ist für mich als Reggaekünstler halt ein Problem immer wieder von vorne darüber reden zu müssen. Das sie stattfindet, kann man nicht verleugnen und es gibt verdammt viele sehr bekannte Artists die homophob sind, es in Europa dann mal nicht sind, weil sie hier auftreten wollen. Es gibt halt viele verschiedene Herangehensweisen, um an dieses Thema zu gehen, Fakt für mich als Westeuropäer ist, das es mir tierisch auf den Sack geht und es eine mühselige und lächerliche Diskussion ist, die wir führen über das normalste der Welt. Es gibt so viele andere Themen und genau deshalb regt es mich so auf, dass Reggae dann darauf reduziert wird. Am Anfang war es Ganja rauchen und jetzt ist es halt irgendwann der Homophobie gewichen. Es nervt mich halt das unsere wunderschöne Kultur so beschmutzt wird durch „Traditionisten“.
Siehst du Auftrittsverbote denn als ernsthafte Lösung an?
Nö, das ist die normale Reaktion auf Angriffe. Wenn sich jemand mir gegenüber rassistisch äußern würde, würde ich auch sagen „Halt die Fresse“. Und ich würde dann auch weiter gehen, wenn das nicht unterbunden wird, dass in meinem Dorf rassistische Lieder gesungen werden. Wo es meiner Meinung nach dann aber aufhört ist, wenn zum Beispiel im U Club (in Wuppertal – Anm. der Redaktion) irgendwelche Buttersäureanschläge verübt werden. Wo dann auf der Straße die Gäste angepöbelt werden und wo sich nicht mit den Veranstaltern, Vertretern der Medien oder ähnlichem an den Tisch gesetzt wird. In meinen Augen wird das Ganze noch zu politisiert und das finde ich schade. Ich kann die Reaktionen auf diese Künstler nachvollziehen und würde mich auch wehren, aber mir fehlt da die komplette Auseinandersetzung. Es wird da schnell an den Pranger gestellt ohne mit den Protagonisten zu reden. Das ist wirklich schade und auch nicht zivilisiert. Irgendwer hat mit dem ganzen aber angefangen und es waren nicht die Schwulen.
Du spielst dieses Jahr auf dem Chiemsee Reggaesummer Festival, welches schon öfter mit homophoben Künstlern gearbeitet hat. Hast du dir diesbezüglich Gedanken gemacht?
Nein, ich halte mich da einfach raus. Ich spiele ja auch auf Festivals wo KIZ auf der Bühne stehen und 10.000 Kids Sexistische Texte mit rappen. Ich kann doch da nicht „ich trete hier nicht auf als Statement“. Es ist mein fucking Beruf Musiker zu sein, der Veranstalter ist doch daran schuld und nicht ich. Es gibt natürlich eine Schmerzgrenze für mich, aber die ist mit Sicherheit nicht erreicht wenn ein Sizzla am Chiemsee auftritt. Soll er doch im Eierregen untergehen, das wäre doch super. Ich bin zwar ein Riesenfan seiner Musik, aber er ist ein Spast und geht halt einfach nicht klar.
Könntest du dir denn vorstellen Kampagnen durch tragen von Shirts oder ähnlichem zu unterstützen oder geht dein Engagement nicht über die heutige Show hinaus?
Nein, ich bin kein Bürgerrechtler. Ich bin nicht Schwul, ..ich kann zwar nicht sagen, dass es mich nichts angeht, da es ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft ist, aber da ich selbst nicht Schwul bin, brauche ich es ja auch nicht zu tragen. Also es ist natürlich schwierig. Ich unterstütze Veranstaltungen wie diese und mein Name steht auf dem Flyer, aber ich muss jetzt nicht mit einer Gedenkschleife rumlaufen oder so. Da bin ich auch nicht die richtige Person zu. Ich stehe ja für mich und möchte keine Schwulenikone werden. Ich bin Musiker, nicht mehr und nicht weniger. Natürlich trage ich zwischendurch auch mal T-Shirts mit diversen Statements, aber ich trage was mir gefällt. Entweder es hat ein Statement oder nicht.
Du zeigst aber ja durchaus regelmäßig politisches und soziales Engagement. Ist es dir wichtig diese Standpunkte mit deiner Musik zu vermitteln?
Ja total, es ist etwas, was mir auch im Blut liegt. Ich muss es mir jetzt nicht erarbeiten politisch zu sein. Ich sehe es auf jeden Fall als Bestandteil einer guten Performance das du die Popularität die du mit deiner Kunst erlangst auch nutzt um eine Art Lautsprecherfunktion zu übernehmen. Ich möchte, dass meine wunderschöne Welt erhalten bleibt und dazu brauche ich alle Menschen auf der Welt. Da kann ich nicht nur über meinen Swag reden. Ich muss Liebeslieder singen, ich muss Abgehlieder singen, ich muss einfach nur Stimmung rüber bringen aber ich muss eben auch Inhalte vermitteln und das hat auf jeden Fall ein großes Gewicht innerhalb meiner Show. Ich bin halt ein Typ, der das gerne macht bzw eigentlich ungern, aber es brodelt mit mir. Ich bin kein Politikstudent aber ich bin ein Mensch mit einigermaßen Lebenserfahrung und das muss ich raushauen solange die Leute mich verstehen. Und darum unterstütze ich auch immer gerne Demos oder Charityevents, wenn ich die Zeit dafür habe. Morgen stehe ich zum Beispiel auf einer Anti Nazi Demo in Bonn. Dafür habe ich sogar extra meine Show beim Myfest abgesagt.
Könntest du dir vorstellen dir jemals den Mund verbieten zu lassen?
Nein, ich bin da auf jeden Fall ziemlich dickköpfig. Ich glaube ja an mich aber es gibt immer einen Punkt wo ich mir etwas sagen lasse. Beim vorletzten Album gab’s zum Beispiel einen Song Namens Loser der den Fall eines durchschnittlichen Sozialstaatversagers aufgriff. Viele dachten Anfangs ich mache mich über diese Lage lustig, was natürlich nicht meine Absicht war. Da habe ich ein paar Stellen dann abgeändert. Aber auch die neue Version waren meine eigenen Worte. Es gibt immer Punkte wo mir zu viele Leute sagen das dies oder jenes nicht so gut sei und das nehme ich mir dann auch an. Aber ich hatte auch noch nie die Situation das mir jemand etwas diktieren oder verbieten wollte.
Was mit Sicherheit auch an deiner Plattenfirma liegt…
Ja naja, es müssen alle gucken und es ist ein hartes Geschäft. Aber natürlich sind die Majors da sehr schnell dabei zu sagen, wir ziehen eine Notbremse und geben dir mal irgendwelche Leute an die Hand. Aber bei mir ist es halt kein Problem. Ich bekomme es bis jetzt immer so hin, dass es den Leuten gefällt und darum muss mir auch niemand rein reden.
Du arbeitest zurzeit ja auch an deinem 4. Album, kannst du uns schon etwas dazu sagen?
Ähm, es ist das 4. Album. Vorher hatte ich schon 3 andere Alben ;) Es geht wieder zurück in die Zukunft würde ich sagen. Ich habe wieder ein starkes Bedürfnis zurück zu den Anfängen zu gehen. Das heißt nicht das keine neuen Sounds dazu kommen, aber ich merke halt das die Wurzeln wieder ein wenig abgeebbt sind auf die Welt so dass ich es wieder in Worte fassen kann was mich abfuckt. Das habe ich in einigen Songs wieder geschafft. Es wird wieder politischer, gesellschaftskritischer, musikalisch gibt es wieder ein schönes Drum n Bass Schmankerl. Zu Features sage ich noch garnichts zu. Aber es werden Nosliwtypisch wieder 2 oder 3 sein da ich das Album ja auch live spielen möchte. Ja es wird derber Shit. In vielen Ecken wird es Weiterentwicklungen geben und auch kleinere Spielchen mit anderen Musikrichtungen. Wie ihr das interpretiert ist eure Sache aber ich fühle mich sehr wohl damit. Meine Lebensgeschichte hat sich ja auch um einiges geändert in den letzten 10 Jahren und da kommen noch ganz viele Eindrücke und Weisheiten dazu. Produktionstechnisch ist es ein Hybrid aus Roots, Dancehall Hip Hop und Soul, Rock, Jazz Funk und What ever.
Weißt du schon in etwa wann das gute Stück in den Handel kommt?
Ich denke im Frühjahr 2013. Ich mach jetzt schön gemütlich und werde dran rumpfeilen und wenn ich jetzt noch ein paar Songs zu viel mache, dann kommen die dieses Jahr noch raus. Als Mixtape oder Ep oder so. Im Moment wird viel fertig gemacht, was ich an Features gemacht habe und da wird im Laufe des Jahres auch noch das ein oder andere raus tröpfeln. Ich bin im Moment sowieso viel unterwegs, was mich auch daran hindert am Block am Album zu arbeiten. Da wird es dieses Jahr aber nochmal richtig gemütliche Sessions geben und dann ist es fertig und wir haben 3 Monaten Zeit die Leute darauf heiß zu machen.
Du hast ja gerade schon gesagt, das sich dein Leben in de letzten Jahren verändert hat. Du bist ja auch nach Berlin gezogen. Inwiefern bekommst du Input von Berlin. Prägt dich das?
Nee, also ich bekomme jetzt keinen Berliner Style oder so. Das kann man ja schon raus hören, wobei das dann eigentlich auch immer original Berliner sind. Die die dieses Flair weiter kreieren sind ja keine Zugezogenen die jetzt auf Berliner machen und deswegen werde ich schon viel beeinflusst, aber hier ist nicht mein musikalisches Zentrum. Mein Studio ist zwar hier aber meine Produzenten sind in der ganzen Welt verteilt und ich bekomme hier meine Dosis Reggae ab beziehungsweise mittlerweile sogar noch andere Musik auf diversen Partys. Weiß nicht, vielleicht war ich auch einfach schon zu alt als ich hier her kam aber ich denke ich bin immer noch ich. Ich habe meinen Dialekt auch nicht abgelegt oder sowas. Ich habe mir keine Berliner Attitüde zugelegt oder so. Die Stadt hilft mir einfach immer aufm Laufenden zu sein und ich habe hier die Möglichkeit die Leute direkt vor der Haustür zu treffen wo ich früher 200 Km fahren musste. Aber Köln war schon auch geil! Im Grunde bin ich wegen meiner Frau nach Berlin gezogen und natürlich ist es auch ein schönes Bonbon hierher zu ziehen und nicht in irgendein Kaff.
Du kommst ja ursprünglich aus Bonn, wo siehst du die größten Unterschiede zwischen NRW und Berlin?
Die Eintrittspreise sind im Westen höher und es gibt nicht so viele Partys wie hier. In Köln geht mit Pow Pow und so natürlich regelmäßig was aber hier hast du natürlich die ganze Woche über Reggaepartys und teilweise sogar 3 Stück am Abend. Im Westen ist es halt so, dass wenn was geht, die Bude auch voll ist und so. In Berlin kannst du halt auch mal Pech haben.
Man sieht dich ja auch regelmäßig im Yaam, was hältst du von Mediaspree und der Bedrohung des Yaam Club?
Ja natürlich Garnichts! Das sind alles Wichser! Aber das ist halt der Lauf der Dinge. Das ist ein natürlicher Ablauf der Natur und man kann es nicht vermeiden. Wichtig ist das wir eine Alternative finden. Und bislang gibt es halt keinen alternativen Standort und darüber mache ich mir Gedanken. Dass halt irgendwo in einem Kiez etwas aufblüht und wieder zusammenfällt, haben wir ja hier schon oft genug gesehen. Aber die Szene wird sich immer wieder neu formieren. Es ist natürlich traurig, weil es hier schön ist, aber wir können es nicht aufhalten. Selbst wenn der Besitzer das Grundstück nicht bebaut wird, er es verkaufen und der neue Eigentümer wird es bebauen. Ja keine Ahnung, wir müssen gucken und vielleicht auch dafür kämpfen das die Stadt uns einen neuen Standort bereit stellt.
Du bist also der Meinung dass man lieber mit wehenden Fahnen untergeht als sich zu lange damit aufzuhalten?
Man kann das Ganze nicht aufhalten. Man muss natürlich Wind machen um die Leute auf die Korruption dieser Stadt aufmerksam zu machen und diesen Mangel an Visionen und Zukunftsdenken. Sonst haben wir hier in 5 Jahren nur noch Hostels und die Leute können sich gegenseitig zuwinken und können sich freuen dass sie in Berlin sind. Im Bierkettkar durch die Stadtfahren und sowas. Diese leidige Diskussion von Anwohnern ist ja genau das Selbe. Die ziehen in die Nachbarschaft eines Clubs um sich über die Lautstärke aufzuregen. Das ist sowas von lächerlich. Die Stadt hat so einen Reichtum den sie einfach nicht begreift. Also die da oben. Ich möchte nicht nach Berlin um ins Münchner Hofbräuhaus Rekonstruktionsdingens zu gehen. Was soll die Scheiße? Natürlich brauchen wir die Blueman Group und was weiß ich, aber das ist nicht alles. Und das ist halt nicht das was der Stadt hilft etwas in die Welt zu tragen. Das sind nicht die Leute, die in der Friedrichstraße shoppen gehen, das sind die Leute die in ihrem Kiez abhängen und kreativ sind und Ideen haben mit neuen Ansätzen. Selbst wenn die dann älter werden und zu Spießern werden.
Was hältst du denn von dem Mietpreiskampf in den Szenebezirken, spielst du das Spielchen mit oder hast du dir direkt eine schöne Ecke im Randbezirk gesucht?
Naja, dann kommt ein ja niemand mehr besuchen. Wir haben eine neue Wohnung in Mitte und wollen dort auch bleiben. Die Straße ist zwar verkehrsberuhigt aber sehr zentral. Mit Innenhof und Garten und dies und das. Logistisch ist das für uns natürlich super. Ich habe noch nie ein Auto besessen da ich immer im Zentrum gewohnt habe. Das ist schon cool. Ich würde dann eher aus gesundheitlichen Gründen etwas weiter rausziehen. Für später würde ich mir das wünschen aber im Moment fühle ich mich hier wohl. Ich würde mir nur mehr Parks wünschen, aber wir sind direkt an den Alexanderplatz gezogen, von daher darf ich mich da auch nicht beschweren.
Vielen Dank für das Interview und die letzten Worte gehören dir..
Interview by Marcus 30.4.2012